Neue Abbaufelder für Gips gefordert

Foto: BUND Kreisverband Nordhausen

Der Geschäftsführer des Ellricher Gipswerks, Peter Knechtle, beklagte in einem Zeitungsartikel vom 14.07.2011 das Fehlen weiterer Abbaumöglichkeiten von Gips im Landkreis Nordhausen und den Gegenwind, der ihm aus der Öffentlichkeit entgegenschlägt.

Die BUND-Kreisgruppe Nordhausen setzt sich nun in einem zweiten Beitrag mit der Argumentation des Bergbauunternehmens auseinander.
Den Wert unserer weltweit einmaligen Südharzer Gipskarst-Landschaft erkannten zahlreiche prominente Wissenschaftler. Einer von ihnen war Prof. Dr. habil. Hermann Meusel, der jahrelang den Bereich Geobotanik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg leitete und 1939 in seiner in Halle erschienen Habilitationsschrift „Die Vegetationsverhältnisse der Gipsberge im Kyffhäuser und im südlichen Harzvorland“ folgende bemerkenswerte Einschätzung fand:
Hier zeigt sich dass „…trotz weitgehend übereinstimmender Gesteinsunterlage infolge des mannigfach gegliederten Geländes und der großen klimatischen Verschiedenheiten auf beschränktem Raum ein Reichtum an verschiedenen Vegetationsformen entfaltet ist, wie er anderswo sich erst auf weiten Flächen darbietet. Dazu kommt noch, dass vielfach die sonst in Mitteldeutschland besonders stark verspürbaren anthropogenen Einflüsse wenigstens stellenweise zurücktreten, und wir uns so, bei den in solchen Fällen immer nötigen Maß an Vorsicht, noch recht gut ein Bild der natürlichen Vegetationsverteilung machen können.“

Einige Flächen, die Hermann Meusel in seiner Arbeit eingehend beschreibt, würde er so heute nicht mehr vorfinden. Der Kohnstein, dessen mannigfaltigen Artenreichtum er in seiner Arbeit untersuchte und würdigte, ist zerstört. Und wenn wir nicht erkennen, welch international einmaligen Schatz wir in unserem Landkreis haben, werden wir noch viel mehr verlieren. Hans Meusel besuchte noch kurz vor seinem Tod mit über 80 Jahren nach der Wende den Kreis Nordhausen und erhob seine Stimme gegen die Zerstörung unserer Landschaft.
Der Geschäftsführer des Ellricher Gipswerks, Peter Knechtle, beklagte in einem Zeitungsartikel vom 14.07.2011 das Fehlen weiterer Abbaumöglichkeiten von Gips im Landkreis Nordhausen und den Gegenwind, der ihm aus der Öffentlichkeit entgegenschlägt. Die BUND-Kreisgruppe Nordhausen setzt sich nun in einem zweiten Beitrag mit der Argumentation des Bergbauunternehmens auseinander.
In dem Zeitungsbeitrag lobte Peter Knechtle u.a. die Anstrengungen des Ellricher Gipswerkes für die Rekultivierung der von ihm betriebenen Steinbrüche, insbesondere des über die Köpfe der betroffenen Gemeinden hinweg in einer Nacht- und Nebelaktion erweiterten Steinbruches Rüsselsee, wogegen von öffentlicher Seite her eine Klage anhängig ist.
Wer den Steinbruch Rüsselsee passiert, bemerkt tatsächlich einen „Grünstreifen“ auf dem ausgegipsten Gelände, eine vom Ellricher Gipswerk rekultivierte und im Zeitungsbeitrag besonders hervorgehobene Fläche. Doch von dieser beabsichtigten Äußerlichkeit sollten wir uns nicht beeindrucken lassen sondern stattdessen über den Rand der Wunde Rüsselsee in unsere Jahrmillionen alte Landschaft hinausschauen: „Wir haben Garantien in Millionenhöhe für die Rekultivierung hinterlegt“, sagt der Geschäftsführer in dem Zeitungsbeitrag.
Den Steinbruch Rüsselsee passieren täglich viele Menschen und sagen jetzt vielleicht: „Seht doch mal, was die Ellricher für die Rekultivierung tun. So schlimm ist doch alles gar nicht.“ Der Steinbruch des Ellricher Gipswerkes Hohe Schleife bei Woffleben hingegen ist weniger gut einsehbar: Seit Jahren wird er vom Ellricher Gipswerk geschont, die Betriebspläne erfahren trotz des seit mindestens zehn Jahren nicht fortgeführten Abbaus eine regelmäßige Verlängerung, und das, obwohl die Rechte an einem derartig lange still stehenden Abbau eingezogen werden können. Nicht eine müde Mark hat das Ellricher Gipswerk bisher in die Rekultivierung seines Steinbruches Hohe Schleife investiert. Kein Wunder also, wenn sich die für die Rekultivierung hinterlegten Millionen, von denen Herr Knechtle spricht, anhäufen. Krokodilstränen sind es, die er vergießt, wenn er sinngemäß sagt, dass ein Schandfleck, wie das Abbaufeld Kohnstein beim Ellricher Gipswerk nicht möglich wäre. Der Steinbruch Hohe Schleife aber unterscheidet sich rein äußerlich kaum vom Kohnstein.
Es besteht vielmehr die Gefahr der in Deutschland nicht gar so selten praktizierten Verfüllung ehemals betriebener Steinbrüche mit Erdstoffen und Abbruchmaterialien – abgesegnet übrigens über Abschlussbetriebspläne im Einvernehmen mit den Bergämtern. Das ist für Bergbauunternehmen allemal profitabler als die hinterlegten Millionen für Rekultivierung auszugeben. Das aber sind Mutmaßungen. Fakt ist: Seit Jahren wird an der Hohen Schleife trotz der von Herrn Knechtle hinterlegten Millionen nicht rekultiviert.
Wir wünschen uns konkrete Angaben, Herr Knechtle!
Wo befindet sich das Konto mit dem hinterlegten Geld?
Wer hat Zugriff darauf?
Wir fordern das Bergamt und das Parlament des Freistaates auf, die Verfügbarkeit des Kontos zum Zweck Rekultivierung zu prüfen. Skepsis ist hier angebracht: Die den Kohnstein einst abbauende Firma Wildgruber hatte wohl auch Mittel hinterlegt, auf die aber keine öffentliche Einrichtung Zugriff hatte. Das Resultat ist auf der Fahrt von Krimderode nach Niedersachswerfen zu betrachten.
Der Grund für die Ruhe am Steinbruch Hohe Schleife könnte aber auch woanders liegen: „Neue Abbaufelder am Rüsselsee in Richtung Naturschutzgebiet Mühlberg im Tausch gegen den naturschutzfachlich eher geringwertigen Steinbruch Hohe Schleife“, ist eine nicht von der Hand zu weisende Version. Für sie sprechen die Aktivitäten der Stadt Ellrich zum Ausbau des Plattenweges zwischen Appenrode und Ellrich zur Gipslasterschnellstraße sowie der gegenwärtige Neubau der Brücke zwischen Harzungen und Niedersachswerfen.
Dass der Steinruch Hohe Schleife naturschutzfachlich nicht sehr „wertvoll“ ist, ist übrigens auch ein Ergebnis des Gipsabbaus. Zahlreiche Rote-Liste-Arten hatten dort ihre Standorte. Noch in den 50-er Jahren waren die heute abgebauten Flächen am Hagenberg naturschutzfachlich sogar überaus bedeutsam.
Fakt ist, dass sich das Ellricher Gipswerk neue Abbaufelder erschließen möchte, mit welchen Mitteln auch immer. Peter Knechtle beklagt in seinem Zeitungsbeitrag, dass er bisher in der Rüdigsdorfer Schweiz nicht abbauen konnte. Miit keiner Silbe erwähnt er, dass es sich hier um ein Naturschutzgebiet und EU-FFH-Gebiet handelt. Das zeigt, wie wenig ihm Naturschutzbelange tatsächlich etwas bedeuten und sollten bezüglich seiner Rekultivierungsbeteuerungen Anlass zu weiterer Skepsis sein.
Lassen sich die Behörden im Landkreis auf Deals mit dem Ellricher Gipswerk ein? Wird hinter den Kulissen gekungelt und vor allem: Wie verhält sich unser neuer, aus der Region stammende Umweltminister Reinholz? Es kann wohl zu Recht spekuliert werden, dass er als ehemaliger Wirtschaftsminister ein Fürsprecher des Ellricher Gipswerkes zumindest war und für das Abbaurecht am Rüsselsee die Weichen gestellt hat. Sollte sich dieses für einen Wirtschaftsminister naheliegende Engagement so plötzlich geändert haben?
Er müsste eigentlich Sachwalter unser weltweit in dieser Ausprägung einmaligen Südharzer Gipskarstlandschaft sein, deren Bedeutung selbst auf internationalen Internetseiten hervorgehoben wird. Unsere Politiker und unsere Verwaltungen mögen erkennen, dass diese Landschaft nur in ihrer ursprünglichen geomorphologischen Struktur ihre Bedeutung und ihr Ansehen behalten kann. Ihre Nutzung und Vermarktung durch einen schonenden Tourismus und extensive Bewirtschaftung ist wirtschaftlich nachgewiesener Maßen nachhaltiger und zukunftsweisender, als ihre Zerschredderung in Gipsmühlen innerhalb weniger Jahre.
Wir tragen die Verantwortung nicht nur für uns und ein paar Unternehmen: Künftige Generationen müssen die Landschaft übernehmen, die wir ihnen hinterlassen. Aber sie können heute nicht mitreden.
Bei allen Entscheidungen, die die heute Verantwortlichen treffen, sollten sie einen Blick in die Zukunft wagen. Wir fordern den Landrat und den Umweltminister Reinholz auf, Farbe zu bekennen. Im nächsten Beitrag beschäftigen wir uns erneut mit den Vorgängen um die Gipsstraße zwischen Woffleben und Niedersachswerfen.