Fragen zur Kommunalwahl 2012 – Antworten der Kandidaten von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

Hier finden Sie die Antworten der Kandidaten von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN:
John Dauert  – Kandidat für den Landrat des Landkreises Nordhausen
und
Christian Darr – Kandidat für den Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen

1. Wie werden Sie persönlich wirksam, um die Motivation der Koalitionäre in Erfurt zu erhöhen, ein Biosphärenreservat im Südharz zu prüfen und dann auch zu beschließen?
Zunächst werden wir die Koalitionspartner schriftlich an die im Koalitionsvertrag eindeutig festgehaltene Vereinbarung erinnern und diese zur Einhaltung auffordern. Im Jahr 2009 wurde folgendes festgeschrieben: „Die Koalitionspartner vereinbaren darüber hinaus, dass die Landesregierung bis 2012 die Einrichtung eines Biosphärenreservats Südharz prüft. In einen moderierten Diskussionsprozess sollen die Bürger der Region, Wissenschaft, Wirtschaft und Tourismus einbezogen werden. 2012 soll über die Einrichtung eines Biosphärenreservats Südharz entschieden werden.“ Als zukünftiger Landrat bzw. Oberbürgermeister, aber auch als Bürger würden wir gern die Organisation und Durchführung einer oder mehrerer Veranstaltungen zum moderierten Diskussionsprozess hier vor Ort übernehmen. In vielen Gesprächen, unter anderem mit dem Kreisbauernverband, aber auch mit UnternehmerInnen, TourismusvertreterInnen und BürgerInnen haben wir erfahren dass oftmals mangelnde Informationen für Vorurteile sorgen. Dies sind besonders die Größe der verschiedenen Zonen, die Furcht vor massiven Nutzungseinschränkungen sowie die Potenziale für den Tourismus. Besonders wichtig ist es die Menschen vor Ort mitzunehmen und von der Sinnhaftigkeit zu überzeugen. Der Beschluss muss aber letztlich durch die Landesregierung erfolgen.

2. Was tun Sie, um keine weiteren Gipssteinbrüche und auch keine Erweiterungen bestehender Steinbrüche auf dem Territorium der Stadt Nordhausen bzw. des Landkreises Nordhausen zuzulassen?
Auch hier können wir auf einen breiten Konsens in der politischen Landschaft verweisen und erinnern zunächst an den Koalitionsvertrag der derzeitigen Landesregierung.
„Die Koalitionspartner sind sich darin einig, im Südharz keine weitere Verritzung für den Gipsabbau zuzulassen. Hierfür nutzt die Landesregierung alle geeigneten rechtlichen und planerischen Maßnahmen. “
Zudem möchten wir besonders mit der IHK hierzu in Dialog treten, da diese folgende Forderungen in ihren „Wahlprüfsteinen zur Kommunalwahl 2012“ übermittelt hat:

  • „Langfristige Erhaltung und Ausbeutung bestehender Gipstagebaue
  • Prüfung von Anträgen für Neuaufschlüsse außerhalb bestehender Schutzgebiete, wobei auch Einzelunternehmern Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen sind“

Durch Aufklärungsarbeit möchten wir zunächst die Wissensbasis um die bereits bestehenden Abbaurechte in der Wirtschaft und der Bevölkerung verbreitern, da die Unternehmen oftmals über eine Rohstoffbasis für mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte verfügen. Dies sind gegenüber anderen Branchen durchaus überdurchschnittlich lange Planungszeiträume. In einem weiteren Schritt möchten wir die Zusammenhänge der Möglichkeiten des Gips-Recyclings beleuchten. Durch Bildungs- und Forschungseinrichtungen wie die Fachhochschule Nordhausen besitzt die Region sehr gute Vorraussetzungen um die Unternehmen unabhängiger von den knapper werdenden Naturgipsen zu machen und sich dadurch Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu erschließen. Damit lassen sich die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung in der Region erhalten und die Landschaft bleibt für die Erholung der Bevölkerung und die touristische Nutzung erhalten. Durch eine Veranstaltungsreihe, angelehnt an das „Nordthüringer Energieforum“ zum Thema Rohstoffe, können Stadt und Landkreis dafür einen geeigneten Rahmen schaffen.
Für uns gilt jedoch in jedem Falle auch weiterhin der Grundsatz der ständigen Wachsamkeit beim Thema Rohstoffe.

3. Was für Vorschläge haben Sie, um die ungebremste Versiegelung der Landschaft im Gebiet um Nordhausen, Stichwort Industriegebiet, Autohof,… zu stoppen? Bekanntermaßen sind allein in der Goldenen Aue seit der Wende 430 Hektar wertvollen Ackerbodens zubetoniert worden.
Auch hier steht Aufklärungsarbeit an erster Stelle. Zum Beispiel müssen die durch das Industriegebiet „Goldene Aue“ verlorenen 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und der damit verbundene Rückgang an landwirtschaftlicher Produktivität durch andere Regionen ausgeglichen werden. Derartige Zusammenhänge müssen in den Diskussionsprozessen stärker berücksichtigt werden. Zudem werden wir ein „Flächenkonto“ einrichten, so dass die Veränderungen der Flächennutzungen jederzeit nachvollzogen werden können. Wir werden uns zudem für die Berücksichtigung des Flächenverbrauchs und eine stärkere Ausrichtung der Entscheidungen von Stadtrat und Kreistag am Prinzip der Nachhaltigkeit einsetzen. Zudem kann durch konsequentes Flächenrecycling die Neuversieglung zurückgedrängt werden.

4. Wie setzen Sie sich konkret dafür ein, die katastrophale ökologische also globale Situation der Erde durch lokales Handeln, also z.B. durch Verkehrsvermeidung und dezentrale Produktionsweisen, Klimaschutzmaßnahmen etc. zu verbessern?
Für uns haben Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Auswirkungen des menschlichen Handelns und zur Förderung der ökonomischen Eigenständigkeit der Region höchste Priorität.
Durch die Begleitung der Umgestaltung der Energieversorgung hin zur Nutzung regenerativer Energien, wie durch das Klimaschutzkonzept der Stadt Nordhausen, verbessern wir die soziale und ökologische Situation vor Ort. Durch die Einbeziehung der Forschungs- und Bildungseinrichtungen aus der Region können zudem auch die Herausforderungen in anderen Bereiche wie in der Landwirtschaft oder im Verkehrssektor bewältigt werden.
Weiterhin stehen für eine klare Priorisierung bei Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen.
Viele von den Mitbewerbern geforderte Maßnahmen sind weder aus ökologischen Gründen zu befürworten noch ökonomisch umsetzbar. Grund hierfür ist eine falsche Priorisierung der Maßnahmen. So fördert der Bund mit der derzeitigen Ausrichtung des Bundesverkehrswegeplans die Planung von Baumaßnahmen, wobei die bereits am längsten geplante Maßnahme zuerst umgesetzt wird. Auf diese Weise wird viel Geld in die Planung investiert um einen hohen Bedarf zu rechtfertigen, letztlich aber die Realisierung sinnvoller und notwendiger Maßnahmen behindert. Wir priorisieren und fordern im Gegensatz dazu nur die Maßnahmen, welche sinnvoll im Hinblick auf Verkehrsvermeidung, die Reduzierung des Energiebedarfs und des Schadstoffausstoßes sind.
Beispielsweise werden wir durch die Berücksichtigung der Erfordernisse des NIV (nichtmotorisierter Individualverkehr, Bsp. Fahrradverkehr) im Rahmen von Baumaßnahmen die Situation für diese Verkehrsteilnehmer verbessern.
Durch die Verbesserung der Produktions- und Absatzmöglichkeiten für regionale Produkte wollen wir die lokale Wertschöpfung steigern und die ökologischen Auswirkungen des menschlichen Handelns verringern. Dieses Potenzial haben wir nicht zuletzt durch Gespräche mit einem Händler für gebrauchte und historische Baustoffe oder einem Landwirt, welcher Streuobstwiesen bewirtschaftet, selbst kennengelernt. Die Politik kann hier helfen besonders die Absatzmöglichkeiten für das nachhaltige Wirtschaften in der Region zu verbessern.

5. Setzen Sie sich für einen klimaneutralen Landkreis ein und wenn ja, wie?
Wir erachten das Klimaschutzkonzept der Stadt Nordhausen als ein erster Schritt in Richtung einer klimaverträglichen Wirtschafts- und Lebensweise in unserer Region. Dieses Konzept soll als Vorbild dienen und wir setzen uns daher für die Erarbeitung eines derartigen Konzeptes für den gesamten Landkreis ein. Wir werden diesen Prozess zudem auch kontinuierlich begleiten und wollen dafür sorgen dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch in die Realität umgesetzt werden. Wir werden dazu die verschiedenen Akteure, wie z. Bsp. Landwirtschaft, Energieversorger, Planer sowie die Bevölkerung durch Veranstaltungen in regelmäßigen Abständen über die Fortschritte informieren und durch deren Einbindung die Konzepte kontinuierlich fortschreiben.

6. Mit welchen konkreten Schritten würden Sie sich im Falle eines Wahlsieges für ein Ende der flächendeckenden illegalen Vermüllung des Naturparkes Südharz einsetzen?
Der überwiegende Teil der illegal abgelagerten Abfälle kann bereits bei verschiedenen Sammelstellen, wie den Wertstoffhöfen oder dem „Schadstoffmobil“ kostenfrei entsorgt werden. Wir sprechen uns daher für eine deutliche Verschärfung der Strafen für derartige Vergehen aus. Jedem „Abfallsünder“ sollte zudem bewusst sein dass die Abfälle in vielen Fällen Rückschlüsse auf den früheren Besitzer enthalten. Da diverse Angebote zur ordnungsgemäßen Abgabe bereits vorgehalten werden und das Problem der illegalen Abfallablagerung dennoch weiterhin besteht werden wir uns dafür einsetzen dass die bestehenden Angebote noch besser bekannt gemacht und auf ihre Tauglichkeit (Bsp. angepasste Annahmezeiten) hin geprüft werden.

7. Welchen Beitrag leisten Sie im Falle Ihres Wahlsieges zu einem Stopp des Artenrückganges im Gebiet und für eine Verbesserung der Landschaftspflege?
Landschaftspflege leistet enorme Beiträge zum Erhalt von Kulturlandschaft und Artenvielfalt. Die Maßnahmen müssen auf eine breitere Basis als bisher gestellt werden. Neben hauptberuflichen Akteuren wir Landwirten leisten besonders viele ehrenamtlich engagierte Menschen große Beiträge, welche wir mehr als bisher würdigen und fördern möchten. Durch eine Aufstockung der Mittel für die Landschaftspflege kann das Ehrenamt effektiv unterstützt werden und die gesellschaftliche Verankerung verbessert werden.

8. Welche Pläne für die Entwicklung des Naturparkes Südharz im Hinblick auf dessen touristische Ausstattung (Aussichtsplätze, Schilder, Sitzgruppen) haben Sie und welche finanziellen Ressourcen können in Anspruch genommen werden, um die touristische Attraktivität des Naturparkes zu verbessern?
Derzeit arbeitet der Naturpark mit einer Vielzahl an oftmals ehrenamtlichen Akteuren, welche einzelne Teile pflegen und erhalten. Als Beispiel sei hier die Beschilderung von Wanderwegen durch den Harzklub genannt. Die finanzielle Ausstattung ist verbesserungswürdig, hier sehen wir Handlungsbedarf bei der finanziellen Ausstattung durch das Land, die Kommunen können hier oftmals keine hohen Beiträge aufbringen. Durch unser Gespräch mit den Vertretern des Naturpark konnten wir erfahren dass die Schwerpunkte besonders im Bereich der Erhaltung bzw. des Ausbaus der durchgängig guten Qualität der Ausstattung gesetzt werden. Besonders die kontinuierliche Qualität der Angebote ist jedoch eine grundlegende Voraussetzung für dessen Erfolg. Ein nicht durchgängig gepflegter Wanderweg, welcher sich zu einem Großteil in einem sehr guten Zustand befindet, aber an einigen Stellen dennoch unpassierbar ist, wird den Wanderern nicht in positiver Erinnerung bleiben.

9. Wäre angesichts der vielen ungelösten Probleme und Widersprüche im Naturpark nicht eine mit hauptberuflich Tätigen ausgestattete Naturparkverwaltung notwendig, zumal es solche Verwaltungen anderswo in Thüringen meist gibt?
Eine Verbesserung der Verwaltungsstruktur für den Naturpark ist wünschenswert und wird von uns als notwendig erachtet, da mit der derzeitigen finanziellen wie personellen Ausstattung kaum Impulse gesetzt werden können. Leider sieht das Land Thüringen hier offenbar mit der Einrichtung des Naturparks auf dem derzeitigen Stand seine Aufgabe als erfüllt an. Andere Verwaltungen genießen durch die höhere Kategorisierung als Biosphärenreservat oder Nationalpark bessere Zuwendungen. Hier sehen wir ein weiteres Argument für eine Aufwertung des Naturparks, wie etwa zu einem länderübergreifendes Biosphärenreservat. Durch die Nutzung von Synergieeffekten mit anderen Bundesländern sowie die internationale Anerkennung durch die UNESCO werden letztlich deutlich höhere Entwicklungspotenziale ermöglicht.

10. Wie lange halten Sie die Einleitung ungeklärter Abwässer in Steigerthal, Rüdigsdorf, Buchholz und Sophienhof noch für akzeptabel – welche Lösungswege schlagen Sie vor?
Die derzeitige Situation ist für uns absolut inakzeptabel. Im Sinne von Mensch und Umwelt muss schnellstmöglich gehandelt werden. Als Vertreter von Stadt und Landkreis müssen wir die Bemühungen zunächst durch die schnellstmögliche Einstellung der erforderlichen finanziellen Eigenanteile in die Haushaltspläne der Kommunen unterstützen. Die Maßnahmen müssen jedoch oftmals durch Fördermittel des Landes und des Bundes flankiert werden um die Belastungen für die BürgerInnen in einem erträglichen Ausmaß zu halten. Hier werden wir uns mit Nachdruck für eine Erhöhung der Priorität für diese Maßnahmen einsetzen, da durch die überwiegende Lage im Gipskarstgebiet und den Gefahren für das Grundwasser umgehend gehandelt werden muss. Daher fordern wir von der Landesregierung die Bereitstellung noch innerhalb dieser Legislaturperiode. Auch sollten gemeinsam mit den BürgerInnen deren Möglichkeiten geprüft werden inwieweit sich diese durch Eigenleistungen an den erforderlichen Baumaßnahmen beteiligen können um die finanziellen Belastungen möglichst gering zu halten. Dies kann jedoch nur mit Augenmaß geschehen, da viele BürgerInnen in den Dörfern bereits im Ruhestandsalter sind.

11. Unterstützen Sie einen Beitritt der Stadt Nordhausen sowie von Kommunen des Landkreises zum „Bündnis von Gemeinden und Städten zur Biodiversität“, in dem sich bereits 60 engagierte deutsche Kommunen zusammengefunden haben? Das Bündnis orientiert sich an der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“.
Wir unterstützen diese Bemühung nachdrücklich und möchten zudem dafür sorgen dass diese Entscheidungen von einem breiten Bündnis getragen und mit Leben erfüllt werden. Eine Vereinbarung, welche keine oder nur wenig Beachtung findet ist wertlos. Hier möchten wir an die „Aalborg Commitments“ erinnern, welche die Stadt Nordhausen unterzeichnet hatte, deren Einhaltung nach unserem Standpunkt jedoch eine zu geringe Bedeutung beigemessen wird.