BUND pflegt Flachmoor

Einer der Mitbegründer des BUND war Prof. Dr. Bernhard Grzimek (1909-1987), der weltbekannte Tierschützer, Tierfilmer und langjährige Direktor des Zoos Frankfurt /Main. In seinem Buch „Wildes Tier, Weißer Mann“ aus dem Jahre 1969 setzte er sich intensiv mit den menschlichen Einflüssen auf die Biosphäre auseinander. Leider haben seine Warnungen nichts an Aktualität verloren…
Im Gegenteil: „Gerade das ist wohl der Keim des Verderbs, der in das Menschenhirn gelegt ist: die eigenen Taten zu überschätzen und die Dinge zu missachten, die nicht vom Menschen geschaffen sind.“ An diese Worte muss ich regelmäßig denken, wenn wir in der mitteldeutschen Provinz versuchen, die Artenvielalt vor Nutzungsaufgabe und / oder zu diskontinuierlicher ungeeigneter Landschaftspflege zu bewahren. Zu Grzimeks Zeiten gab es national wie international bedeutend weniger Schutzgebiete und Naturschutzregelungen, was er in seinem Buch auch anprangert: Doch trotzdem sich hier das Blatt komplett gewendet hat, bleiben Erfolge überwiegend aus: Wissenschaftler sprechen von der ungebremsten fünften Aussterbewelle auf Erden – verursacht durch eine weiterhin stark steigende Menschenpopulation und deren ungebremster wirtschaftlicher Gier.

Wir vom BUND-Kreisverband Nordhausen können daran nichts ändern. Wohl aber können wir lokal versuchen, ein wenig gegen diese dramatischen, ja apokalyptischen Veränderungen zu unternehmen.

Ein Niedermoor und seine Besonderheiten

Mitstreiter und Freunde des BUND -Kreisverbandes Nordhausen mähten am vergangenen Sonnabend in der Rüdigsdorfer Schweiz ein Moor. Moore in der von Trockenrasen und Trockengebüschen und Trockenwäldern geprägten Rüdigsdorfer Schweiz? Ein solches ökologisches Kleinod gibt es hier tatsächlich.

Es handelt sich um ein Flach- oder Niedermoor, das aus der Versumpfung des Mineralbodens entstanden ist. Aus einem angrenzenden Hang sickert wahrscheinlich schon seit sehr langer Zeit permanent Wasser, das sich in zwei kleinen Bächen mit wechselndem Wasserstand sammelt und von ihnen auf eine in einer flachen Senke liegende Wiese geschwemmt wird.

Da das Wasser offenbar auch noch recht nährstoffarm ist, hat sich eine besonders artenreiche Pflanzengemeinschaft entwickelt. Zu den bemerkenswerten Arten zählen Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium), Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), Schuppenfrüchtige Gelbsegge (Carex lepidocarpa). Die erst- und letztgenannte Art konnten erst in den vergangenen Jahren für das Naturschutz- und FFH-Gebiet wieder- bzw. neu entdeckt werden.

Um den Artenreichtum dieser Flachmoore zu erhalten, müssen sie gemäht oder extensiv beweidet werden. Da viele in ihnen siedelnde Arten jedoch den vom Vieh meist verschmähten Sauergräsern und Binsen angehören, ist Mahd das bessere Mittel der Wahl. Früher wurden derartige Wiesen als Streuwiesen genutzt, sie lieferten die Einstreu für die Viehställe der bäuerlichen Kleinbetriebe. Diese Nutzung wird zumindest in Mitteldeutschland kaum noch praktiziert. Historische Streuwiesen sind daher ein floristisches Museum, die schon auf Grund ihres Reliktcharakters und ihrer Kleinheit langfristig wohl oft nur noch auf ehrenamtlicher Basis erhalten werden können. Sie sind Rückzugsräume für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die in unserer anthropogen stark überformten Kulturlandschaft ansonsten praktisch keine Überlebensräume mehr haben.

Besagte Wiese wurde zwischen 2013 und 2015 im Zuge des so genannten, vom Landschaftspflegeverband Südharz-Kyffhäuser verwalteten und vom Autor dieses Beitrags umgesetzten Referenzprojekts Artenschutz einmal jährlich gemäht. Im Zuge dessen begannen ihre Pflanzengemeinschaften eine überwiegend positive Entwicklung zu nehmen, denn jahrelang war sie unbewirtschaftet geblieben. – Wichtig für Erfolge im Artenschutz aber ist jedoch die Aufrechterhaltung einer Kontinuität bei der Bewirtschaftung.

Mähen, Harken und Picknick

In diese, Sinne wurden am vergangenen Sonnabend sechs Enthusiasten aktiv: Der BUND-Kreisverband Nordhausen führt die Bewirtschaftung zunächst fort. Gemäht und geharkt wurde unter anderem von Tobias Strietzel, Heidi Schell, Uwe Dumjahn und dem Autor dieses Beitrages. Uwe Dumjahn war das erste Mal dabei und führte den einen der beiden Freischneider so professionell, dass wir uns alle schon jetzt auf seine nächste Teilnahme freuen.

Der Einsatz war übrigens nicht nur ein körperlich entspannendes Erlebnis: Das übliche Picknick unter freiem Himmel mundet auf einer seltenen Wiese ganz besonders. Zumal es diesmal gleich zwei Höhepunkte dieser Art gab: Michaela Sorgatz brachte einen geheimnisvoll gefüllten und inhaltlich sehr schmackhaften Picknickkorb vorbei.

Blick über Flachmoorgrenzen hinaus

Die landschaftspflegerischen Einsätze des BUND-Kreisverbandes Nordhausen leisten einen Beitrag zur Umsetzung jener Festlegungen, die in den Verordnungen unserer Naturschutzgebiete und in der FFH-Richtlinie der EU niedergeschrieben sind. Auch der 41. Einsatz seit 2010 diente deren Umsetzung. Durch die Mahd können nicht nur stark gefährdete Pflanzengemeinschaften sondern gleich mehrere bedrohte Pflanzenarten erhalten werden. Bedenkt man, dass sich z.B. auch zahlreiche Insektenarten auf derartige Flachmoore spezialisier haben, dienen unsere Maßnahmen auch dem zoologischen Artenschutz.

Wichtig wäre, dass sich auch die Programme des Freistaates noch mehr an den selbst verfassten Regelungen bzw. unterstützten Richtlinien orientieren, womit nicht nur großflächig wirksame Aktionen gemeint sind. Gezielte Maßnahmen auf kleinen artenreichen Flächen haben nachweislich einen nicht zu vernachlässigenden bis entscheidenden Einfluss auf die Erreichung von Schutzzielen. Sie sollten unbedingt Teil des geplanten Naturschutzgroßprojekts sein. Die Naturschutzbehörden und Landschaftspflegeverbände haben hierbei eine immense Verantwortung, die sie mit Engagement und vor allem mit Augenmaß wahrnehmen sollten.

Denn auch bestehende Regelungen bieten viele Möglichkeiten dazu. Weitere Verluste artenreicher Lebensgemeinschaften dürfen nicht hingenommen werden, wobei die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, zu erfahren, ob in Mitteldeutschland tatsächlich effektiv gegen den Verlust der Artenvielfalt vorgegangen wird oder nicht. Denn, wie schon eingangs geschrieben: Der Satz Grzimeks hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Der nächste Einsatz des BUND-Kreisverbandes ist für den 20. August geplant. Interessenten sind herzlich willkommen. Sie können sich unter bodo_schwarzberg@yahoo.de melden.
Bodo Schwarzberg

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