Stellungnahme des BUND Kreisverbandes Nordhausen zu den vorhabensbezogenen Bebauungsplänen Nr. 57-2
„Solarpark Am Holungsbügel“ sowie Nr. 57-1 „Solarpark Hinter der Steinmühle“
Sehr geehrte Damen und Herren,
DER BUND Kreisverband wurde mittels Vollmacht des BUND Landesverbandes Thüringen legitimiert, die in seiner territorialen Zuständigkeit befindlichen Planungen, Vorhaben etc., die mit einer öffentlichen Beteiligung verbunden sind, als Vertreter eines nach § 30 BNatschG anerkannten Umweltverbandes, hier: BUND Thüringen, wahrzunehmen.
Bei Bedarf legen wir diese Vollmacht vor.
1.Zur Planung der Photovoltaikanlage „Hinter der Steinmühle“
Die geplante Anlage soll auf einer sanierten Altlastfläche in sachlicher Zuständigkeit des Landes Thüringen, errichtet werden.
Die Sanierung der Altlastenfläche ist mittels Überdeckung von Fremdmaterial erfolgt. In den Auflagen des zum Vorgang gehörenden Bescheides wurden Rekultivierungsleistungen mittels abschließender Bepflanzung/Begrünung festgeschrieben und haben dadurch eine rechtliche Verbindlichkeit erlangt.
Diese Auflagen sind im Rahmen des vorliegenden und zu ergänzenden Bebauungsplanes zu erörtern. Es ist darzulegen, wie bei Realisierung des geplanten Vorhabens die Begrünung an anderweitiger Stelle (Ausgleich-Ersatzmaßnahmen) realisiert wird. Zudem umfasste diese Begrünung finanzielle Leistungen des Betreibers, die gemäß rechtlicher Erfordernis als Sicherheitsleistungen zu hinterlegen sind.
Durch die Errichtung der Photovoltaikanlage auf dieser Fläche „hinter der Steinmühle“, die infolge der jahrzehntelangen Stilllegung bereits wertvolle Biotopstrukturen entwickelt hatte, wird eine ursprünglich geplante „Ausgleichspflanzung bzw. Begrünung zum Zweck der Wiedereingliederung in die Landschaft“ nicht verwirklicht werden. Es bedarf also der summarischen Betrachtung des Ausgleiches sowohl der nunmehr nicht mehr stattfindenden Begrünung als auch der mit der Errichtung der Photovoltaikanlage erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen mittels Begrünung an anderweitiger Stelle.
Durch den zeitlichen Verzug der Aussetzung der ursprünglich geplanten Begrünung wird eine Wiedereingliederung und Wiederbesiedlung der mit Erdreich und Baustoffen versiegelten Landschaft verzögert. Diese Verzögerung führt zu einer erforderlichen Höherwertigkeit der im Zuge der PVA vorzusehenden Ausgleichspflanzung und Begrünung.
Die Begrünung der unmittelbar die PVA umgrenzenden Fläche auf dem unmittelbaren Vorhabensstandort wird als nicht ausreichend betrachtet. Vielmehr sind zusätzliche Flächen innerhalb der ausgeräumten Agrarlandschaft in der Nähe des Vorhabensstandortes zu erwerben und diese mittels „Brachflächen“, artenreichem Dauergrünland sowie durch anderweitige strukturschaffende Biotope (Hecken, Sträucher) naturschutzfachlich aufzuwerten.
Es wird angeregt, vorrangig die ohne Zustimmung der kommunalen Hoheitsträger/Eigentümer in Ackerflächen umgepflügten Feldraine und Wege innerhalb der städtischen Gemarkung (im Außenbereich) bzw. der Ortsteile wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Dies würde im Idealfall lediglich einer stringenten Bearbeitung der Fälle in der zuständigen Kommunalaufsicht bedürfen, ggf. in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Landwirtschaftsamt und der Thüringer Landgesellschaft mbH.
Es ist nachweislich darzulegen, dass die Wertigkeit der Begrünung im Zusammenhang mit der geplanten Photovoltaikanlage eine höhere ist als die für die Sanierung der Altlastenfläche geplante.
Der Zeitfaktor(Verzug) durch die entfallene Begrünung der Deponie gemäß geforderter Bepflanzung ist dabei zu berücksichtigen.
2. Zur Planung der Photovoltaikanlage „Holungsbügel“
1.)Der Flächennutzungsplan sowie die daraus hervorgehenden Planungen sind aus dem geltenden Regionalplan zu entwickeln.
Die im Regionalplan Nordthüringen am o.g. Standort definierte Flächennutzung widerspricht bei beiden Planungen der nunmehr vorgesehen Nutzung. Insofern ist der vorliegende Bebauungsplan nicht gesetzeskonform und nicht zulässig.
Forderung für beide Vorhaben: ein Zielabweichungsverfahren ist durchzuführen.
2.) Die vorgesehene zeitliche Verzögerung der Überarbeitung des Flächennutzungsplanes im Anschluss an das B-Planverfahren (einschließlich des dazugehörigen LBP sowie der Umweltprüfung) ist nicht zulässig und widerspricht den Grundsätzen der Planung.
Die Überarbeitung des Flächennutzungsplanes ist zu terminieren. .
Es wird gefordert, hier eine vorrangige, mindestens aber parallele Ausführung des Flächennutzungsplanes der Stadt Nordhausen vorzulegen und die dazugehörigen Fachpläne den geplanten Maßnahmen anzupassen bzw. diese Maßnahmen darin zu erörtern und fachgerecht abzuwägen.
Die damit verbundenen Kosten können nicht als Ursache für eine zeitverzögernde Planung und nicht rechtkonformes Verhalten als Begründung dienen. Die Kosten des nicht zu verwirklichenden B-Planes „PVA Holungsbügel“ haben bereits jetzt auch in der Verwaltung der Stadt Nordhausen zu Buche schlagen.
Bei der Fläche „Holungsbügel“ handelt es sich um eine im Außenbereich liegende naturschutzfachlich hochwertige Fläche aufgrund der Biotop- und Artenvielfalt.
Das Vorhandensein von gefährdeten Tierarten, u.a. der Roten Liste ist hinlänglich bekannt.
Genannt seien u.a. (keine abschließende Aufzählung des Arteninventars)
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Neuntöter
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Zauneidechse
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Rebhuhn
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Feldlerche
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Schwarz- und Braunkehlchen
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Wiesenbrüter generell
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Kibitz, Brachvögel (als Zugvögel)
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Mittelspecht
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Rotmilan
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Ödlandschrecke
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Das Gebiet ist auch wertvolles Nahrungshabitat für Waldkauz und Turmfalken
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diverse Falterarten
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Libellen
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Wildkatze (Bedeutung als Wanderkorridor)
Zudem ist das Terrain ein beliebtes Jagdrevier verschiedener Fledermausarten. Die unmittelbare Nähe der ständig wassergefüllten Tongrube bietet zudem Amphibien ein Laichhabitat, die sich zu einem wertvollen Lebensraum entwickelnde Brachfläche stellt außerhalb dieser Zeit ein wertvolles Rückzugsbiotop (Ruhestätte) dar.
Forderung:
Insofern ist der räumliche Zusammenhang der vom Eingriff betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu untersuchen und zu erörtern. Der relevante Wirkraum als auch die konkreten naturräumlichen Gegebenheiten sind zu berücksichtigen.
Bei Feststellung FFH-relevanter Arten ist die Prüfung um diesen rechtlichen Prüftatbestand zu erweitern.
Anerkannte Bewertungsverfahren sind anzuwenden.
Die vorhandenen, teilweise geschützten Biotope (u.a. Streuobstwiese), Tier- und Pflanzenarten unterliegen dem besonderen naturschutzfachlichen Schutz.
Forderung:
Sowohl das Vorhandensein der geschützten Tier- als auch Pflanzenarten erfordert einen generell im Zuge der Planung erforderlichen Umweltbericht als auch eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (SaP).
Es wird bereits jetzt ausdrücklich seitens des Verfassers dieser Stellungnahme darauf aufmerksam gemacht, dass die offensichtlichen artenschutzrechtlichen Hürden für die Zulassungsebene nicht ausgeräumt werden können.
Angesichts des fortschreitenden Artensterbens und der Biodiversitätsstrategie des Bundes kann die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf einer naturschutzfachlich hochwertigen Fläche kein Kriterium für die Vorzugsstellung von alternativen Energieformen sein. Ein überwiegend öffentliches Interesse kann standortbezogen nicht geltend gemacht werden!
Gemäß § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.
Verboten sind des Weiteren Handlungen zu bestimmten Zeiten. .. ff…
Ein weiterer Verbotstatbestand betrifft die Fortpflanzungs- und Ruhestätte der besonders geschützten Arten. Unter Berücksichtigung der Kommentierung und zahlreicher Rechtssprechungen zu diesem Verbotstatbestand einschließlich der möglichen Befreiungsregelung wird deutlich, dass die vorgesehene Errichtung einer PVA im Bereich des Holungsbügels nicht realisiert werden kann. Sie scheitert u.a. daran, dass es an einer für die Ausnahme vom Verbotstatbestand wesentlichen Voraussetzung, hier der „Erweiterung eines bestehenden Vorhabens“ als auch dessen Umsetzung im planerischen Innenbereich mangelt.
Zudem lassen die vorgelegten Planunterlagen bereits in der jetzigen Phase den Schluss zu, dass es zu keiner objektiven Aufzählung, geschweige denn Berücksichtigung der tatsächlichen Standortkriterien kommt. Zumal diese Einschätzung sich auf die angeführten, vermeintlich aktuell existierenden Standortfaktoren bezieht, die vom Grad der Fortführung bzw. Auslegung des Planungsaktes unabhängig sind.
Bei der Aufzählung der vermeintlichen Standortvorteile (angesichts der hochwertigen Fläche am Holungsbügel) u.a. mittels der geplanten Aussaat von wertvollen, heimischen Grassorten von einer naturschutzfachlichen Aufwertung der Planfläche zu sprechen, grenzt an eine kaum zu überbietende Ignoranz hinsichtlich der tatsächlichen naturräumlichen und naturschutzfachlichen Rahmenbedingungen und der darauf beruhenden fachlichen Bewertung.
Es sei hier die Anmerkung gestattet, dass diese pauschalisierten Angaben zum Vorhaben „Photovoltaik – Solarpark „Am Holungsbügel“ durch eine auch als Planungsbüro fungierende Einrichtung wie der Thüringer Landgesellschaft mbH, die von staatlicher Stelle anerkannt, gefördert und personell hochrangig in Aufsichtsgremien vertreten wird , unwürdig ist.
Zum Kriterium der „Vorbelastung des Bodens“ :
Zumindest im Bereich des Holungsbügels (ehem. Radarstation der russischen Streitkräfte) kann eine Vorbelastung des Bodens nur vermutet werden. An der ehemaligen Radarstation wurden bisher im Gegensatz zum Standort „hinter der Steinmühle“ nach Kenntnis des BUND keine tiefgreifenden Altlastenstandortuntersuchungen realisiert. Eine in den 90er Jahren vorgenommene Entfernung/Entsorgung von Altlasten, vorrangig Zivilisationsmüll, und eine anschließende Renaturierung des Geländes vorrangig in Form von Anpflanzungen, ebenso die Nutzung als Ausgleichsfläche für Pflanzungen im Zuge des Baus der A 38, findet keinen Eingang in die bisherigen Betrachtungen zur Standortauswahl. Auch kann davon ausgegangen werden, dass die für Ausgleichspflanzungen im Zuge des Baus der A 38 gewählte Fläche nicht für die umfangreiche Begrünung genutzt worden, wenn die Frage der Altlastenrekultivierung im Vorfeld nicht hinreichend abgeklärt worden wäre.
Forderung:
eingehende Untersuchung der tatsächlichen Standortfaktoren und bisher gesetzlich mittels bestehender Planungen bzw. planfestgestellten Unterlagen definierten Standortnutzungen. Die Betrachtung des Umgangs mit Steuermitteln sollte dabei ebenfalls einer Erörterung unterzogen werden.
Die nachhaltige Nutzung des Gebietes als Naherholungsgebiet inklusive eines zwischenzeitlich entstandenen Wegenetzes sowie der Errichtung einer „Waldschänke“ in unmittelbarer Nähe eines Wohngebietes in einer ausgeräumten Agrarlandschaft macht die defizitäre „Untersuchung“ der Auswirkungen der Errichtung einer PVA im Bereich des Holungsbügels ebenfalls hinterfragungswürdig.
Im Zuge der stattzufindenden Erörterung im Rahmen eines pflichtgemäß durchzuführenden Scopingtermins werden der BUND als auch die Bürger der Siedlung Holungsbügel die Gelegenheit nutzen, auf die bisherige nachhaltige Nutzung des Gebietes hinzuweisen und ihre Belange geltend machen.
Mit freundlichen Grüßen
Heidi Schell
Vorsitzende BUND Kreisverband Nordhausen
Nordhausen, den 18.12.2020
Link zum Dokument: 2020_12_Stellungnahme_BUND_KV_Holungsbügel